Im 2. Weltkrieg benutzten die Deutschen ein überaus raffiniertes Verschlüsselungssystem, um ihre militärischen Nachrichten zu übermitteln. Gegen Ende des Krieges schafften es die Engländer, den Code zu knacken, was ein kriegsentscheidender Faktor war. In unserem Unterbewusstsein findet ebenfalls eine Verschlüsselung statt. Unsere Seele sendet Botschaften, die unsere Ur-Bedürfnisse betreffen. Ursprünglich – im schöpfungsmäßigen, sündlosen Zustand – hat das menschliche Bewusstsein diese unverschlüsselten Nachrichten klar verstanden und richtig darauf reagiert. In diesem Zustand weiß der Mensch, was er braucht und holt es sich dort, wo er es am reinsten bekommt, nämlich bei Gott. Wir wissen, dass Satan der Vater der Lüge und Irreführung ist. Er hat es geschafft, in der menschlichen Seele einen Code zu installieren, der unsere wahren Bedürfnisse verschleiert und in eine falsche Richtung lenkt. Unsere Selbst-Strategien sind Reaktionen auf falsch dekodierte Signale der Seele. Wir holen uns das, was unsere Seele nicht sättigt. Am deutlichsten zeigt sich dies bei allen Arten von Süchten. Das Suchtmittel ist nicht das, was unser Körper braucht. Jede Sucht ist der irregeleitete Versuch, die Sehnsüchte der Seele zu stillen.
Wie knacken wir diesen tödlichen Code? Bei jeder Sucht, bei jeder Sehnsucht, bei jedem geheimen Wunsch müssen wir fragen: Welches ist das zugrundeliegende Ur-Bedürfnis? Wie lautet die ursprüngliche Botschaft der Seele? Was wollen wir eigentlich – was wollen wir wirklich? Wir brauchen ein inneres Radar, das den Kreis unserer Ur-Bedürfnisse scannt und Mangel frühzeitig feststellt. Damit meine ich nicht, dass wir permanent um uns selber drehen sollen, indem wir uns ständig fragen: Was fehlt mir noch, was brauche ich zusätzlich? Es geht vielmehr darum, dass dem Feind nicht durch ungestillte Ur-Bedürfnissen Angriffsflächen geboten werden. Indem wir uns mit jedem Mangel an Gott wenden, können wir uns selber viel besser loslassen, weil er sich ja um uns kümmert. Wir werden frei, ihn und unsere Mitmenschen zu lieben.
Bevor wir Selbst-Strategien loswerden, müssen wir sie durchschauen. Wenn du nicht weißt, was du denkst, kannst du auch nicht umdenken. Am Anfang unserer Ehe hat mich meine Frau öfter gefragt: „Liebling, was denkst du gerade?“ Das war für mich eine schwierige Frage, weil ich mir bis dahin kaum Gedanken darüber gemacht hatte, was ich den lieben langen Tag hindurch denke. Ich war nicht darin geübt, meine Gedanken zu artikulieren. Es klingt paradox, aber es ist tatsächlich möglich, viel zu denken und wenig davon selber zu erfassen. Das liegt entweder daran, dass die Gedanken nur flüchtig sind und somit nicht ins Langzeitgedächtnis wandern, oder sie verschwinden sehr schnell im Unterbewusstsein und sind nicht mehr abrufbar. Das geschieht nicht zufällig. Um einigermaßen stabil zu bleiben, verdrängt unsere Psyche unangenehme Gedanken. Der Schlüssel, das zu verhindern, heißt Reflexion. Ich bin meiner Frau dankbar, dass sie mir geholfen hat, diese Fähigkeit zu trainieren. Wir müssen lernen, über unser Denken nachzudenken. Das wagen wir aber nur, wenn wir wissen, dass wir unangenehme Gedanken irgendwo deponieren können, sodass sie uns nicht mehr bedrücken, beschämen oder verwirren. Durch den Prozess der Vergebung haben wir eine wunderbare Möglichkeit, unseren Gedankenballast bei Gott abzuladen.
Wer aus der Gnade Gottes lebt, kann mutig das eigene Denken analysieren, um Fehlschaltungen, Sackgassen und Widersprüche aufzudecken. So können wir beispielsweise die Diskrepanz zwischen dem, was wir glauben und wie wir uns wirklich verhalten, durchschauen. Paulus beschreibt das, was die Psychologie „kognitive Dissonanz“ nennt, folgendermaßen:
Denn das Gute, das ich will, übe ich nicht aus, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich. Wenn ich aber das, was ich nicht will, ausübe, so vollbringe nicht mehr ich es, sondern die in mir wohnende Sünde. (Röm 7,19-20)
Paulus sagt in den weiteren Versen, dass sündigen eine Gesetzmäßigkeit ist – wie ein Naturgesetz. Demgegenüber steht das, wovon ich überzeugt bin – das Gesetz Gottes. Indem ich ihm zustimme, entsteht in meinem Denken ein Gesetz, an das ich mich halten will, aber nicht kann. Wenn sich mein Handeln und Fühlen von meiner Glaubensüberzeugung unterscheiden, dann liegt eine kognitive Dissonanz vor.
Jede Selbst-Strategie steht im Widerspruch zum Glauben an einen Gott, der mich liebt und mir alles gibt, was ich brauche. Ich kann mir diese kognitiven Dissonanzen bewusst machen, indem ich mich frage: Wie würde ich handeln bzw. mich fühlen, wenn ich das wirklich glaubte? Wäre ich ständig auf die Anerkennung anderer angewiesen, wenn ich wirklich glaubte, dass Gott meinen Wert und meine Würde bestätigt? Müsste ich mich so rastlos in Projekte stürzen, wenn ich sicher wäre, dass Gott meinem Leben Sinn gibt? Würde ich mich so verunsichert fühlen, wenn ich die Vollmacht, die Gott mir gibt, anwenden würde? Müsste ich so viele Güter anhäufen, wenn ich mich darauf verlassen würde, dass Gott mich versorgt? Würde ich mich in falschen Denkmustern verirren, wenn Gott die Quelle meiner Erkenntnis wäre? Müsste ich mich immer wieder durch aggressives Verhalten verteidigen, wenn der Glaube, dass Gott mich schützt, tief in mir verankert wäre? Könnte ich nicht viel leichter zu meinem Versagen stehen, wenn ich glaubte, dass Gott mir vergibt?
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